Wer jung trinkt, wird eher süchtig - Alkoholprävention sollte schon früh beginnen - 26.06.2013
Wenn Suchtprävention wirken soll, muss sie früher als bisher üblich ansetzen. Dies wurde bei der Podiumsdiskussion von Bürgerstiftung und Polizei am Montag in der Stadthalle deutlich. „Prävention
bringt am meisten bei denen, die noch abstinent sind“, erklärte der Suchtmediziner Wolfgang Höcker.
„Ob ein Jugendlicher mit zwölf oder mit dreizehn zum ersten Mal Alkohol konsumiert, macht einen riesigen Unterschied“, erklärte Dr. Wolfgang Höcker. Denn je später ein Mensch die ersten
Alkoholerfahrungen mache, so der Ärztliche Direktor des Zentrum für Psychiatrie Reichenau, desto geringer sei die Gefahr, dass er später alkoholkrank werde. Dies lasse sich auch statistisch eindeutig
belegen.
Vor diesem Hintergrund plädierte Höcker nicht nur für restriktive Maßnahmen wie Einschränkungen beim Alkoholverkauf oder höhere Preise, sondern auch für deutlich frühere Präventionsmaßnahmen: Diese
müssten schon in der Unterstufe anfangen – und so dazu beitragen, dass sich nachhaltig das Bild festsetze, dass Alkohol eigentlich uncool sei. Wenn nämlich einmal erste Trinkerfahrungen gemacht
seien, sei Suchtprävention ungleich schwieriger.
Welche Folgen dies hat, wurde sowohl in Höckers Vortrag als auch in der anschließenden von Radio-7-Moderator Walter Frevert geleiteten Podiumsdiskussion deutlich: So erläuterte Höcker, dass ein
Großteil der Fälle von häuslicher Gewalt, Mord oder auch Kindesmissbrauch mit Alkohol einhergingen. Und auch wenn es nicht so weit komme, habe das Suchtproblem erhebliche wirtschaftliche Folgen: So
rechnete Guiseppe Palilla von der AOK vor, dass jede stationäre Einlieferung eines Volltrunkenen die Kassen 800 Euro koste. Was ihn dabei besonders bedenklich stimme: Während landesweit die
Zahlen leicht rückläufig seien, gingen sie im Landkreis Tuttlingen weiter nach oben.
Problemtisch sei dabei vor allem, dass die Fälle immer drastischer würden: So berichtete Ulrich Mayer, Leiter der Fachstelle Sucht, zwar eher gleich leibenden Fallzahlen, die hätten aber eine andere
Dimension als früher: „Die Jugendlichen geben mehr Gas“ – und greifen immer häufiger zu Hochprozentigem. Aus diesem Grund biete die Fachstelle für Kommunen auch Tipps für eine lokale Alkoholagenda,
wie dies Neuhausen ob Eck bereits umgesetzt habe. Ziel dabei: Der Ausschank von Hochprozentigem bei Veranstaltungen von Vereinen oder Privatleuten soll limitiert werden.
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass zu einer effektiven Suchtprävention die verschiedensten Instrumente zählen. So unterstrich Klaus Jansen, Fachbereichsleiter für Familie, Bildung und
Soziales bei der Stadt Tuttlingen, die Bedeutung der Schulsozialarbeit. Hier sei es vor allem wichtig, dass man den Jugendlichen auf Augenhöhe begegne und so wichtige Beziehungsarbeit leiste. Ralf
Thimm, Leiter der Polizeidirektion Tuttlingen, berichtete von verschiedenen Projekten, die die Polizei in Kooperation mit unterschiedlichen Trägern organisiert habe - unter anderem die Aktion „Fair
Fest“. Um repressive Maßnahmen und Kontrollen käme man dennoch nicht herum – zumal immer wieder deutlich werde, dass Vorschriften ignoriert werden: Bei Testkäufen hielten sich über 50 Prozent der
Geschäfte nicht an die entsprechenden Regeln, wenn es um die Abgabe von branntweinhaltigem Alkohol gehe.
Die Podiumsdiskussion war ein weiterer Baustein des Präventionsprojekts, das die Polizei mit Unterstützung der Bürgerstiftung organisiert hatte. Warum die Bürgerstiftung sich hier engagiert,
erläuterte deren Vorsitzender Ortwin Guhl: Wenn es auch nur gelinge, ein paar Jugendliche vom Abrutschen in eine Suchtkarriere zu bewahren, habe sich der Aufwand schon gelohnt. Beeindruckt berichtete
Guhl vom Kino-Special, das zum Auftakt der Aktion für 800 Schülerinnen und Schüler der Gymnasien organisiert wurde und das im nächsten Jahr in Kooperation mit anderen Schulen fortgesetzt werden
soll: „Wir wollen“, so Guhl „uns weiter in diesem Bereich engagieren.“