Bürgerstiftung bringt Medienpädagogik ins Kino Ratschlag an Schüler: „Trefft euch nicht nur im Internet“
Wenn’s um die Risiken digitaler Medien geht, herrscht zwischen den Generationen die große Sprachlosigkeit. „Wir müssen trotzdem im Gespräch bleiben“, sagt der Medienpädagoge Jörg Litzenburger. Beim Kino-Special im Rahmen des Präventionsprogramms der Bürgerstiftung gibt er seinem jugendlichen Publikum die entsprechenden Anstöße.
Früher war alles einfacher. Wenn die Kinder ins Teenageralter kamen, konnten die Eltern in vertrauter Runde berichten, was passiert, wenn man zu viel Bier trinkt. Oder warum süße Liköre so heimtückisch sind. Und warum Rauchen keine so tolle Idee ist. Das Wissen über Suchtmittel konnte von Generation zu Generation weiter gegeben werden, und auch die Lehrer wussten Bescheid.
Bei neuen Süchten wie Handy- oder Computerspielsucht müssen die Alten passen. „Die meisten Kinder sind bei elektronischen Medien ihren Eltern meilenweit voraus“, sagt Jörg Litzenberger, „und ihre Erfahrungen sammeln sie unter Gleichaltrigen – Schule und Elternhaus sind da außen vor.“ Litzenberger arbeitet als Koordinator für Suchtprävention beim Landkreis Böblingen, nebenberuflich ist er als Medienpädagoge unterwegs. Und als solcher muss er feststellen, dass auch zehn Jahre nach der Markteinführung des ersten iPhones Medienpädagogik an Schulen nach wie vor eine untergeordnete Rolle spielt. Den Bedarf sieht Litzenburger dafür umso mehr: Zum einen könne der Umgang mit Smartphones durchaus suchtartige Züge bekommen. Vor allem aber könne Mobbing im Netz Züge annehmen, die für Jugendliche nicht abschätzbar seien. „Wer ein Video hochlädt, macht sich oft kein Bild davon, wie schnell sich das verbreiten kann.“ Und noch etwas unterscheide Mobbing im Netz von der klassischen Hänselei auf dem Schulhof: Der Mobber steht seinem Opfer nicht gegenüber und erlebt dessen Reaktion nicht unmittelbar. Folglich sinke die Hemmschwelle: „Wir erleben hier einen extremen Verlust an Empathie“.
Für die Tuttlinger Bürgerstiftung war dies Anlass, im Rahmen ihres Präventionsprogramms noch stärker den Schwerpunkt auf das Thema Medienpädagogik zu setzen. Wie schon in früheren Jahren setzt das
Konzept dabei auf die Kombination von Film und Gespräch. Dahinter steht die Idee, dass sich ernste Themen mit Hilfe eines Spielfilms oft besser transportieren lassen als über reine Vorträge – wenn es
dazu noch Popcorn und Cola gibt, erst recht. Und so sahen 200 Neuntklässler an einem Vormittag im Scala-Kino den Film „Disconnect“. Der Thriller thematisiert verschiedene Probleme digitaler Medien -
von der Zurschaustellung im Netz bis zur Sprachlosigkeit in Familien. Im anschließenden Gespräch mit den Schülern greift Jörg Litzenburger die Themen auf – nicht zuletzt den Trend, sich nur noch über
das Smartphone auszutauschen. „Man kann nicht alles über das Internet lösen“, ruft er ihnen zu, „verlasst euch nicht immer auf das Netz. Trefft mehr andere Menschen.“ Vor allem rät er, auch mal die
coole Fassade fallen zu lassen: „Habt keine Probleme, eure Gefühle zu zeigen.“ Was aber können Eltern tun? Hier hat Litzenburger einen denkbar einfachen Rat: „Lassen Sie sich von Ihren Kindern die
Technik erklären – und bleiben Sie so im Gespräch.“
Trotz aller Probleme hat Litzenburger in seiner langjährigen Tätigkeit als Präventionsbeauftragter aber auch positive Beobachtungen gemacht: Die Alkoholproblematik bei Jugendlichen gehe spürbar
zurück. „Das Thema Komasaufen hat lange nicht mehr die Tragweite wie noch vor einigen Jahren.“